Anekdote zur ersten großen Investition

Als ich noch Rechtsreferendar war und mit ca. 750,00 € im Monat auskommen musste, habe ich meine erste Immobilie erworben. Selbstredend haben mich die Banken bei der damaligen Finanzierungsanfrage belächelt und mir freundlich zu verstehen gegeben, dass ich gerne nach dem Studium wiederkommen könne, aber aktuell nicht über die notwendige Bonität verfüge. Wo ein Wille, da auch ein Weg dachte ich mir. Ich habe trotz aller Widrigkeiten eine Bank gefunden, die mir das Eigenheim (es war sogar ein MFH) finanzierte. Im Anschluss habe ich jeden Cent für den Eigenkapitalnachweis und die Kaufnebenkosten zusammengespart, den ich irgendwie aufbringen konnte.  Meine Liquidität und Laune gingen anschließend gegen Null.

Eckdaten meiner ersten Immobilienfinanzierung: Effektivzins 4,88 %, Laufzeit 10 Jahre, keine Sondertilgung, kein Laufzeitensplitting, kein Nachverhandeln, Kein Gegenangebot, Kein variabler Baustein, keine Steueroptimierung, kein Vorbehalt der Tilgungsaussetzung, nichts der Gleichen. Das Disagio der Bank tat mir überdies auch sehr weh.

  1. Habe ich die Kaufentscheidung unter Zeitdruck getroffen? Ja, schließlich wurde mir suggeriert, dass noch 5 weitere Interessenten kaufen wollen würden.
  2. War der aufgerufene Kaufpreis nach Sachwertverfahren/ Ertragswertverfahren angemessen? Nach meinem subjektiven Empfinden und Dafürhalten war er okay.  
  3. Hatte ich genügend Eigenkapital? Laut Bank mitnichten.
  4. Was meinte die Bank denn mit Beleihungswertgrenze? Nun ja, heute bin ich schlauer.
  5. Welche Laufzeit war für die Finanzierung sinnvoll? 5, 10, 15, 20 oder 25 Jahre? Habe mich unter billigender Inkaufnahme des Anschlussfinanzierungsrisikos für 10 Jahre entschieden.
  6. Hatte ich aufbereitete Finanzierungsnachweise? Da war nicht viel aufzubereiten.
  7. Hatte ich bei Bekundung meiner Erwerbsabsicht bereits eine feste Finanzierungszusage einer Bank? Nein. Bis zum notariellen Beurkundungstermin war doch genügend Zeit.
  8. Habe ich bei Abschluss des Annuitätendarlehens vollständig verstanden, wozu ich mich auf 10 Jahren verpflichte?  Absolut! Nicht.
  9. Was war unter den verschiedenen Angeboten meiner Bank das Wirtschaftlichste? Wie hätte ich das bei all dem Bankenkauderwelsch bestimmen können?
  10. Sondertilgung gegen Zinsaufschlag in Kauf nehmen?
  11. Habe ich die Aussagen des Maklers kritisch hinterfragt? Baujahr, Grundstücksfläche, Wohnfläche, Bebaubarkeit, Innenbereich, Außenbereich, Festsetzungen im B-Plan, etwaige Baulasten? Nein. Nicht wirklich. Ich wollte das Objekt einfach nur erwerben.
  12. Habe ich etwaige Mängel am Objekt hinterfragt? Nein. Ich habe niemanden mit der entsprechenden Expertise bezahlen wollen/können.
  13. Wahrte der notarielle Kaufvertrag inhaltlich auch meine Käuferinteressen? Nein.
  14. Habe ich mir Gewährleistungsansprüche im Kaufvertrag vorbehalten? Ach was.
  15. Vormerkung, Grundschuld, Hypothek? Ja, da war was mit Grundpfandrechten.
  16. Habe ich vollständig verstanden, was der Notar im Beurkundungstermin verlas? Nicht ganz. Übrigens: Es ist auch nicht die Aufgabe eines Notars sämtliche Rechte und Interessen des Käufers im kurzfristig anberaumten Beurkundungstermin zu wahren, schon gar nicht in wirtschaftlicher Hinsicht.

 

Nichts habe ich in meiner schlechten Verhandlungsposition hinterfragt und naiv wie ich war, auf den lieben Gott vertraut, dass alles finanziell gut ausgehen möge. Der aufmerksame Leser sei an dieser Stelle beruhigt, es ging gut aus. Das Objekt halte ich immer noch.

Sicherlich, optimal getilgt habe ich das Annuitätendarlehn in den ersten 10 Jahren der Zinsbindung nicht, jedoch habe ich den Erwerb nie bereut, da der Cash-Flow vor und nach Steuern stets positiv war.